Gut, ihr habt gewonnen – Neue Geschichten vom Leben unter Kindern by Doris Knecht

Gut, ihr habt gewonnen – Neue Geschichten vom Leben unter Kindern by Doris Knecht

Autor:Doris Knecht [Knecht, Doris]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 978-3-7076-0417-7
Herausgeber: Czernin Verlag, Wien
veröffentlicht: 2017-03-10T17:00:00+00:00


Wir: nicht

Ich möchte alles zurücknehmen, was ich Sehnsüchtigtes über den Herbst gesagt habe. Sommer ist super. Schwitzen, stinken, freie Sicht aufs Bauchfleisch, alles uresuper. Beziehungsweise erlaube ich mir, den Herbst, insbesondere den Frühherbst, mit sehr viel netteren Eigenschaften zu konnotieren als mit grauskaltem Dauerregen: süße, reife Früchte, bitte! Betörend schön verfärbte Blätter, der Glanz auf den Kastanien, der feine Nebel des Atems, wenn man in kühler Früh auf die Straße tritt! Dünne, bunte Hauben auf den Köpfen der Kinder, feste Turnschuhe an ihren Füßen, gesundes Rot auf den Backen und die Taschen ihrer strapazierfähigen und wasserabweisenden Herbstjacken voller Kastanien mit tüchtig Glanz darauf! Ein Glas Sturm (ich) und eine heimliche Zigarette (der Lange) abends am Balkon, wenn die Mimis schlafen (tagsüber weisen sie ihn stets erbarmungslos darauf hin, dass man vom Rauchen übrigens tot wird, TOT, Papa!), unter einer kuscheligen Wolldecke … Aber. Nix: Die Kastanien schwimmen in dreckigen Lachen, die Kinder unter Ganzkörpergummi tropfen uns die Fußböden wellig, und die reifen Früchte am wilden Wein locken die Tauben in riesigen Meuten an, die mir den Balkon sowieso unbenutzbar scheißen. So war das überhaupt nicht ausgemacht.

Überdies ist, wenns Herbst wird, der Winter nicht weit, und der birgt vielerlei Ungemach. Erstens liegen die Kinder schon jetzt am Fußboden auf dem Bauch und bekritzeln Post-its mit kleinen Zeichnungen ihrer drei Dutzend dringlichsten Weihnachtswünsche. (Jetzt ist es heraußen. Die Mimis sind schon fünf und können nicht nennenswert lesen noch schreiben. Das gilt heutzutage als Hinweis auf akute Minderbemitteltheit, weil andere Eltern, wenn man sie hört, ihren Fünfjährigen praktisch die Augen verbinden und/oder die Hände fesseln müssten, um sie daran zu hindern, den „Zauberberg“ anzulesen, erste, kleine Kurzgeschichten zu verfassen oder sich selbst ein Instrument samt Notenlesen beizubringen. Was soll man machen; man hat es, oder man hat es nicht. Wir: nicht.) Die Post-its werden auf den Kühlschrank gepost-itet, mit Tixo gesichert, und es muss permanent gewährleistet werden, dass Mutter dem Christkind JEDERZEIT fehlerfrei zu diktieren in der Lage ist, was das auf dem dritten von links ist. Ein Eisenbahnwaggon nach der Sprengung durch Terroristen? NEIIIIN, Mama!!!, das ist ein HEUWAGEN für den TRAKTOR! Weiß ich eh, Kind, war ein Witz, und ja, das daneben ist ein Cowboy-Kostüm, und das darunter ist ein Porsche, und das daneben ist ein Pferd, das sieht man doch, und nein, Schatz, Terroristen sind ein bisschen was anderes wie Indianer, erklär ich dir ein andermal.

Zweitens geht der Winter einher mit der Belästigung durch die Frage, wann und wo unsere Kinder denn Schi fahren lernen werden. Das wäre o. k., wenn die Leute die Antwort „nie und nirgends“ akzeptieren würden, abnicken, Themawechsel. Tun sie aber nicht: Waaaswiiiiie? Tatsächlich scheint die Absicht, Kleinkindern ihr Recht auf stundenlanges Arschabfrieren am Lift und erste Knochenfrakturen zu verweigern, unter den Tatbestand der mittelschweren Kindesmisshandlung zu fallen. Sie! Es gibt einen Grund, wieso ich in der Stadt lebe! Nicht jeder, der bergiger Landschaft entstammt, muss zwingend für lustige Schneesportarten talentiert sein! Manche fallen dabei permanent auf die Fresse, ja, haha: Wusste ich doch, dass mir Ihr Wohlgefallen an dieser Stelle garantiert ist.



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